Da war er endlich, der lang ersehnte aber auch gefürchtete 3. Juli.
Natürlich brauchten wir uns keine Gedanken über unsere Arbeit machen, wenn es darum ging nach eigenem Gefühl zu denken, aber es Gribbelt schon, wenn man so ein Projekt nun endgültig den Sachverständigen vorführt.
Eins vielleicht vorweg. Bevor man in Deutschland überhaupt anfängt irgendetwas zu bauen, was von der Norm abweicht, sollte man auf jeden Fall den Rat von Experten einholen.
So haben wir es auch gemacht. Joachim Bockris, Sachverständiger bei der Dekra in Eisenach, macht bei meinen Autos Hauptuntersuchungen und technische Abnahmen schon seit Jahren.
Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich oder andere auch schon mit ihren Ideen abtreten durften, weil es technisch einfach nicht vertretbar gewesen wäre. Genauso war die erste Reaktion von ihm als ich mit dem Satz kam: „Wir wollen einen Wartburg strechen.“
Ich glaube seine Augen haben sich einmal im Kopf komplett rumgedreht und nicht nur geleiert, wie man so schön sagt. Der erste Satz war „Lasst die Finger davon!“.
Wir wären aber nicht wir, wenn wir da lockerlassen würden. Hatten wir doch schon Visionen und Ideen, die weiterreichten, als „wir wollen da mal was schrauben“.
Je mehr ich ins Detail ging und je mehr Achim darüber nachdachte, um so realer wurde der Gedanke ihn und seine Kollegen der Dekra als Betreuer zu gewinnen.
Man sollte vielleicht auch mal noch einen ganz anderen Aspekt hier nennen. Joachim Bockris ist derjenige, der damals als Ingenieur im AWE die Antragspapiere für das KTA der DDR erstellt hat, um für den Wartburg 1.3 eine Allgemeine Betriebserlaubnis zu bekommen. Er war derjenige, der mit anderen Kollegen den 1.3er überhaupt erstmal auf die Straße gebracht hat.
Wenn nicht er als Partner wer dann???
Kaum war er nach einigen Wochen der Nachforschung mit den ersten Recherchen fertig, kamen auch schon die Auflagen. Das so, das so, das so, das so auf keinen Fall, das geht gar nicht usw. Wir sprachen lange Zeit über viele Details. Jetzt war er in seinem Element. Er hatte Kontakte überall hin und schaffte über die ganze Bauphase, Kontakte zu alten Fachexperten, die ein Leben lang nichts anderes gemacht hatten und uns immer wertvolle Tipps gaben und auf die Finger schauten.
Na gut, will ich das mal nicht so endlos lang verfassen, aber zumindest mal im Ansatz das Gefühl vermitteln, was an so einer Geschichte dranhängt, wenn man etwas Legales und Sicheres bauen will.
Am 3. Juli fuhr ich frühs mit Stefan los. Alleine schon dieses Mistgefühl mit dem Auto öffentlich auf der Straße zu fahren, wo einen jeder sieht. (Das ist doch mal ganz geheim oder?)
Na gut, nützt nix und die Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer waren durchaus positiv.
Heimlich fuhren wir in Hessen auf die Autobahn, um nicht durch Eisenach zu müssen. Ziel war die Dekra in Gotha.
Da es sich bei dem Auto um einen kompletten Umbau handelt, wurde die Abnahme bei der Technischen Prüfstelle Dekra Gotha durch den Fachabteilungsleiter persönlich vorgenommen.Aber Achim stellte dazu im Hintergrund die Weichen und organisierte die entsprechenden Termine.
Wir lernten Herrn Schubert kennen. Er sollte die Abnahme, das Gutachten und alles, was dazu gehörte machen. Er sollte entscheiden über ja oder nein. Und so schnell, wir das Auto abgestellt hatten, so schnell waren wir auch schon wieder auf der Heimfahrt.
14 Tage sollte er dort bleiben. „OH, wie sollen wir das aushalten“
Was da genau im Hintergrund alles geschah? „Keine Ahnung, und man will das auch nicht sehen, denn hier mussten Fremde unser Baby bewegen, und die sind doch bestimmt nicht zimperlich, ihn auch mal zu quälen.
14 Tage später, genau am 16. Juli 2009, sollte der Tag kommen, an dem wir wieder nach Gotha sollten. Das Kribbeln im Bauch war unbeschreiblich. Frühs um 6:00 Uhr aufgestanden, die ganze Nacht kaum geschlafen, fuhr ich nach Gotha. 6 Zigaretten auf 40 km, das war schon ne Glanzleistung. Pünktlich um 8:00 Uhr empfing mich Herr Schubert. Auf seinem Tisch lag ein typischer Briefbogen der Dekra, wo ich von weiten, schon „positiv“ entdeckte.
(Na gut, da hätte ja noch „nicht“ davorstehen können, aber das übersieht man gekonnt.)
Wir unterhielten uns und er sagte, dass das Auto die Abnahme positiv bestanden hat und die Prüfer selber erstaunt waren, wie gut sich der Wagen bewegen lässt. Es gab noch ein paar Tipps für die Zukunft und nachdem wir dann Kasse gemacht hatten, hielt ich es endlich in den Händen. (Ich hätte heulen können vor Freude!)
Eines konnte ich ihm noch entlocken, wenn man denkt, dass die Sachverständigen der Dekra den ganzen Tag nur steif und akribisch nach technischer Korrektheit suchen, der hat sich geschnitten, denn den Fahrspaß mit so einem Auto auf dem betriebseigenen Hof, ließen sie sich zwischendurch fast alle nicht entgehen. Das gehört auch mal dazu und ist völlig in Ordnung.
Danach fuhr ich im Eiltempo jenseits der Schallmauer wieder nach Eisenach, um den Wagen zuzulassen. Dazu hatte ich extra einen Termin bei der Leitung der Eisenacher Zulassungsstelle gemacht. Für so einen Wagen braucht man ein geeignetes Nummernschild.
Leider sind in Deutschland die Bedingungen für Sonderwünsche sehr hart. Wir wollten nichts Amerikanisches machen und auch keine Minischilder, ich wollte einfach nur die würdevolle Nummer: „EA-WB-1“.
So etwas bekommt man nicht einfach so, da dies Kennzeichen für bauartbedingte Fahrzeuge sind. Aber nach langen Gesprächen und mit dem Zweck im Auge, dass dieser Wagen die Stadt Eisenach um ein weiteres Highlight bereichern würde, bekamen wir die Sondergenehmigung.
(Tut mir bitte einen Gefallen und rennt jetzt nicht auf die Zulassungsstellen und sagt, die haben das auch. Es gibt Regeln in Deutschland, an die müssen auch wir uns halten, und so eine Sondergenehmigung ist wirklich ein Ausnahmefall, bei dem es auch bleiben sollte.)
Dann ließ ich die Nummernschilder pressen und musste bis 13:30 warten, um endlich die Papiere in Empfang zu nehmen.
Dies war dann der größte Augenblick nach diesen 4 Jahren Arbeit. Als ich die Papiere in der Hand hielt, donnerten alle erdenklichen Feiertage durch meinen Kopf.
ES WAR GESCHAFFT. Geheimakte EA-WB-1 konnte geschlossen werden.
Nur noch 14 Tage bis zum Treffen, sozusagen pünktlich auf die Minute genau.
Dann ging es mit Micha und Werner nach Gotha, das Auto nach Hause holen.
Ihr glaubt gar nicht, wie schnell man Nummernschilder an ein Auto bauen kann. Ich sollte mich mal bei der Formel 1 bewerben.
Werner stieg das erste Mal in das fertige Auto ein, ich nahm auf dem Fahrersitz Platz und wir fuhren das erste Mal mit echter Straßenzulassung unter ohrenbetäubend lauter Hottentotten Musik nach Eisenach.
WAR DAS EIN GEFÜHL !!!
Zum Schluss bleibt nur eins zu sagen. Ohne das Engagement der Dekra, speziell Herrn Bockris und Herrn Schubert, hätten wir schrauben und schweißen können so viel wir wollen. Wir hätten mit Sicherheit ein Haufen Fehler gemacht, die diesen Wagen nie auf die Straße gebracht hätten. Und dann hätten auch diese Prüfer sagen müssen „Durchgefallen“.
DANKE FÜR DIE TOLLE ZUSAMMENARBEIT!